Zukunftsfähige Unterstützung des Immobilienmanagements
Gastbeitrag: Prof. Dr.-Ing. Heiko Gsell
Aareon Stiftungsprofessur für Wirtschaftsinformatik, EBZ Business School, Bochum
Der Immobilienwirtschaft steht heute ein breites Spektrum moderner Informationstechnologien zur Unterstützung ihrer Geschäftsprozesse und zur Interaktion mit ihren Stakeholdern zur Verfügung, doch deren Nutzung erfolgt weiterhin nur zögerlich. So bestätigen mehrere Studien, etwa die ZIA/EY Real Estate Digitalisierungsstudie 2025: Strategische Defizite, fragmentierte Geschäftsmodelle, zurückhaltende Investitionen und monolithische IT-Landschaften bremsen die digitale Transformation (vgl. ZIA/EY 2025, S. 12 f.). Häufig fehlen standardisierte Prozesse, transparente Datenstrukturen und interoperable Systeme (Gsell et al. 2025, S 60). Hinzu kommen kulturelle Hürden – mangelnde Qualifikation, ein schwaches digitales Mindset und fehlende Innovationskultur. All dies führt dazu, dass die Branche im digitalen Mittelmaß verharrt.
Viele Unternehmen setzen ihre Hoffnung auf Künstliche Intelligenz als „Gamechanger“. Doch Chatbots oder KI-gestützte ERP-Systeme entfalten ihre Wirkung nur dann, wenn die Voraussetzungen stimmen: Eine klare Digitalisierungsstrategie, optimierte Prozesse, qualitativ hochwertige Daten, flexible IT-Architekturen und eine innovationsfreundliche Kultur. Erst wenn diese Faktoren zusammenkommen, wird KI tatsächlich zum Hebel für Effizienz, Automatisierung und neue Geschäftsmodelle.
Abb. 1 Grundlagen und Voraussetzungen für den KI-Einsatz (eigene Darstellung)
Ein Blick auf andere Branchen zeigt, dass Digitalisierung nicht allein durch Technologie, sondern vor allem durch konsequente Umsetzung und klare Geschäftsmodelle gelingt. Banken etwa nutzen KI zur Erkennung von Betrugsmustern und Geldwäsche (vgl. PwC 2023, S. 10/15), d. h. sie überprüfen Massenprozesse, wie den Zahlungsverkehr, entlang bestimmter Muster mit effizienten KI-Werkzeugen. Entscheidend ist hier nicht nur die Technik, sondern das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Systeme sowie die Fähigkeit, regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Versicherungen wiederum setzen KI für automatisierte Antrags-, Vertrags- und Leistungsbearbeitung sowie den Kundensupport ein. Damit wird ein durchgängig schnellerer, transparenterer Kundenservice möglich (vgl. PwC 2023, S. 12/15) – ein Prinzip, das sich unmittelbar auf die Immobilienverwaltung übertragen lässt: Schadensmeldungen oder Vertragsänderungen können nicht nur automatisiert erfasst, sondern auch proaktiv begleitet werden. In der Logistik werden Ankunftszeiten auf Basis umfangreicher Analysen und Prognosen von Transaktions-, Verkehrs- und Wetterdaten kalkuliert (vgl. Fraunhofer IML 2021, S. 14). Das verdeutlicht, wie Echtzeitdaten kombiniert mit KI Abläufe optimieren – eine Erkenntnis, die etwa für die Instandhaltungsplanung von Gebäuden nutzbar ist. Auch der Handel zeigt mit seinen personalisierten Produktempfehlungen, zielkundenspezifischen automatisch erstellten Lookalikes und automatisch generierten Produktbeschreibungen, wie KI Kundenerlebnisse verbessert und Umsatzpotenziale steigert (vgl. Harwardt/Köhler 2023, S. 33 ff.). Die übertragbare Lehre: Auch Mietende und Eigentümer können digital stärker einbezogen werden, wenn Systeme deren Bedürfnisse antizipieren. Andere Sektoren wie die Industrie mit Predictive Maintenance oder die Energiewirtschaft mit intelligenten Netzen unterstreichen zusätzlich, dass datengetriebene Prognosen und vorausschauende Steuerung zu Effizienz und Nachhaltigkeit führen. Für die Immobilienwirtschaft bedeutet dies: Die Vermarktung von Objekten, die automatische Rechnungskontierung, die Vorhersage von Zahlungsausfällen, die automatisierte Bearbeitung von Schadensfällen oder die Unterstützung von ESG-Reporting sind keine fernen Visionen, sondern unmittelbar adaptierbare Praxis.
Abb. 2 Best Practice Einsatzfelder von KI in unterschiedlichen Branchen (eigene Darstellung)
Der Markt bietet bereits Lösungen: Neben „Big Techs“, wie Alphabet, Amazon, Apple, Meta oder Microsoft, entwickeln branchenspezifische Anbieter wie Aareon, Domus oder Casavi zunehmend KI-gestützte Produkte. Ein zentrales Beispiel mit Schwerpunkt auf die smarte Verwaltung (gemischt-)gewerblicher Immobilien in ihrer Betriebsphase ist RELion ONE. Diese Plattformlösung bündelt wesentliche Funktionen, integriert durch die enge Verknüpfung mit der Microsoft-Welt Analyse- und Unterstützungswerkzeuge wie MS Power BI und MS Copilot und fördert so die Vernetzung. Dank einer offenen Architektur, die moderne Programmierschnittstellen integriert, können externe Systeme eingebunden werden, wodurch ein flexibles Ökosystem entsteht (vgl. BundesBauBlatt 2025). Einheitliche Datenmodelle sichern Qualität und Transparenz, während Copilot als integrierte Assistenzfunktion Routineaufgaben übernimmt und Entscheidungshilfen bietet. Durch die Kombination dieser Ansätze mit Cloud-basierten Systemstrukturen werden Prozesse nicht nur digitalisiert, sondern Ende-zu-Ende gedacht – von der Abrechnung über die Eigentümer- und Mietendenkommunikation bis hin zum ESG-Datenreporting. Das Beispiel verdeutlicht, wie Plattformlösungen die Branche befähigen, technologische Potenziale tatsächlich zu heben.
Die digitale Transformation verlangt ein schrittweises Vorgehen. Zunächst müssen Grundlagen geschaffen werden: Mindset, Qualifikation, Strategie und offene IT-Architekturen. Darauf folgt die Optimierung der Prozesse – Ende-zu-Ende, transparent, von Altlasten befreit. Erst dann entfaltet die eigentliche Transformation ihre Wirkung, mit Pilotprojekten, sichtbaren Erfolgen und sukzessiver Skalierung der Lösungen. Jede Einführung erweitert das digitale Ökosystem und steigert die Handlungsfähigkeit der Organisation. Am Ende ist klar: Die Stagnation resultiert nicht aus fehlenden Technologien, sondern aus ungenutzten Potenzialen. Andere Branchen zeigen, dass Wettbewerbsdruck, Datenqualität und konsequente Umsetzung den Unterschied machen. Innovative IT-Lösungen bieten die Strukturen und Werkzeuge, die Vernetzung, Innovation und Effizienz ermöglichen. Für Entscheider in der Immobilienwirtschaft ist dies die Chance, die eigene Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern – bevor externe Akteure das Spielfeld dominieren. Da der notwendige Veränderungsprozess für kleine und mittlere Unternehmen der Immobilienwirtschaft kaum allein zu bewältigen ist, sollten diese professionelle Unterstützung von Strategie-, Innovations- und Digitalisierungsberatern nutzen.
Literatur
Blackprint (2025). PropTech Germany 2025 Studie. Frankfurt am Main/Aschaffenburg: Blackprint Partners, TH Aschaffenburg, URL: https://proptechgermanystudie.de/wp-content/uploads/2025/07/PropTech-Germany-2025-Studie.pdf (Abruf der WWW-Seite am 09.07.2025).
BundesBauBlatt (2025). KI als strategischer Hebel für nachhaltigen Erfolg. BBB 09/2025, Gütersloh: Bauverlag, URL: https://www.bundesbaublatt.de/artikel/ki-als-strategischer-hebel-fuer-nachhaltigen-erfolg-4284348.html (Abruf der WWW-Seite am 13.09.2025).
Fraunhofer IML (2021). Künstliche Intelligenz in der Logistik. Whitepaper, Dortmund: Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, URL: https://www.iml.fraunhofer.de/content/dam/iml/de/documents/101/19_Whitepaper_KI_Logistik.pdf (Download der pdf-Datei am 14.09.2025).
Gsell, H.; Stamer, C.; Füllbeck, M. (2025). IT und Digitalisierung in der Haus- und WEG-Verwaltung 2025. Studie, Bochum: EBZ Business School/InWIS Forschung & Beratung.
Harwardt, M.; Köhler, M. (2023). Künstliche Intelligenz entlang der Customer Journey – Einsatzpotenzial von KI im E-Commerce. Essentials, Wiesbaden: Springer Gabler.
PwC (2023). Einblicke zur Künstlichen Intelligenz im deutschen Finanzsektor. KI-Marktstudie, Düsseldorf/München: PricewaterhouseCoopers, URL: https://www.pwc.de/de/finanzdienstleistungen/banken/pwc-studie-ki-im-deutschen-finanzsektor.pdf (Download der pdf-Datei am 14.09.2025).
ZIA/EY (2025). Digitalisierungsstudie 2025: Data Life Cycle Management in der Immobilienwirtschaft Berlin: ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e. V., URL: https://www.ey.com/content/dam/ey-unified-site/ey-com/de-de/noindex/documents/zia-ey-real-estate-digitalisierungsstudie-2025.pdf (Download der pdf-Datei am 10.09.2025).
